6 Tage per pedales durch die Uckermark

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Meine Ausflüge durch Brandenburg beschränkten sich bisher nur aufs Wochenende. Die Heimfahrten am Abend waren immer mit einer gewissen Melancholie verbunden. Wie es es sich wohl anfühlt, keine Gedanken um den Zug nach Hause zu haben, sich einfach treiben zu lassen zu können und abends in aller Stille ins ländliche Bett zu fallen, von Vogelgezwitscher statt morgendlicher Müllabfuhr geweckt zu werden? Das wollte ich wissen. Die Entscheidung für das Regionalziel Uckermark fällte eine Internetrecherche. Ich habe mich bei der Suche nach einer Unterkunft hoffnungslos in eine umgebaute Stallscheune in Melzow nahe des Oberuckersees verliebt. Dank Stornierung anderer Gäste dürfen wir noch reservieren. Mit großer Vorfreude ging es in die Planung. Akribisch erarbeite ich mir einen kleinen Überblick über mögliche Tagesausflüge und Sehenswürdigkeiten, speicherte Routen in Komoot und akzeptierte die “Packe alles für eine Woche Herbsturlaub in zwei Fahrradtaschen”-Challenge. Petrus half ordentlich mit . -er versprach reichlich Sonne zu schicken. Statt spätherbstlichem, kälteren Wechselwetter schickte er uns wärmende Sonnenstrahlen in die Buchenwälder. Als es Ende Oktober endlich losging, nahm ein uckermärkischer Herbsttraum seinen Lauf…

Achtung! Links zu den Touren gibt im entsprechenden Tages-Post.

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Sonntag

Echt abgehoben - eine Übernachtung im wunderschönen Baumhaushotel auf dem Gut Gollin.


Gleich hinter der Templiner Stadtgrenze startet an einem Sonntagmorgen unser Herbstabenteuer Uckermark. Wir haben keinen Zeitdruck und rollen entspannt entlang des Lübbesees auf einem asphaltierten Radweg mitten in eines der vielen goldenen Wäldchen des Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin. Die Farben leuchten noch so intensiv wie ich es mir erhofft habe, der Duft des Waldes kriecht in die Nase. Es dauert nur wenige Minuten und wir sind im Auszeit-Modus. Berlin, Du wirst uns nicht fehlen, soviel ist klar. Die erste Nacht dürfen wir auf GUT GOLLIN bei Familie Wurth verbringen. Gemeinsam mit ihrem Mann bewirtschaftet hier Susanne Wurth einen landwirtschaftlichen Betrieb, ein paar Ferienwohnungen, einen Hofladen und ein spektakuläres BAUMHAUSHOTEL . Dieses besteht mittlerweile aus vier Baumhäusern mit märchenhaften Namen wie Hexenhaus, Jagdhütte, Waldgeflüster und Entenstrich. Sie liegen ungestört in einem ca. 2ha großen Mischwald umgeben von riesigen Wildgehegen.

Unser “Hexenhaus” ist wie die anderen Häuser ein absolutes Unikat und mit viel Liebe errichtet. Es erinnert tatsächlich ein bisschen an das “Haus auf einem Bein” aus meinem Lieblingsmärchenfilm Väterchen Frost. Mit dem Baumhaus meiner Kindheit, einer windschiefen Bretterbude, hat diese große Kabine auf Stelzen nicht mehr viel gemein. Außer einem grandiosen Blick und dem Gefühl von Abenteuer. Ist das jetzt schon die erste Stufe zum sogenannten Glamping? Wir steigen die Treppe hinauf und öffnen vorsichtig die Tür. Die Hütten sind urig wie eine schlichte Almhütte und mindestens genauso schön. Die Ursprünglichkeit finden wir großartig. Alles ist aus Holz und die Liebe zum Detail sieht man in jeder Ecke. Es gibt wenig Steckdosen und nur einen kleinen Wasserkocher. Dieser erscheint uns jetzt wie Luxus, da wir uns sofort eine Tasse heißen Tee machen können. Bei einer Abendrunde über das Gut locken wir das Wild mit heruntergefallenen Kastanien an den Zaun und kaufen Köstlichkeiten fürs Abendbrot im kleinen Hofladen. Auf dem Weg zurück zum Baumhaus, kündigt sich ein wunderschöner Sonnenuntergang vor unserer Terrasse an. Durch die Krone von Laub- und Nadelgehölz blinkt das letzte rosa-goldene Abendlicht. Es ist Zeit für Brot, Käse und Apfelsaft. Die fehlende Küche im Baumhaus vermissen wir keine Minute. Eine gute Brotzeit war mir eh schon immer das liebste Abendessen. Nachdem wir die Krümel für die Vögel auf die Veranda gelegt haben, wird es dann langsam still im Hexenhaus.


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Montag

Ein erstklassiger Frühstücksservice in den Baumkronen und ein überraschender Wintereinbruch.

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In der Nacht hat sich das Wild direkt vor unserem Hexenhaus ein neues Plätzchen gesucht. Zuvor hatten sich “Fürst Elmar mit seinen Damen” wie Frau Wurth ihre Tiere am Hexenhaus nennt, noch vor uns versteckt. Ich klettere auf die zweite Ebene unseres Heims und lege mich mit Fernrohr vors bodenlange Fenster auf die Matratze. Es ist faszinierend die Tiere zu beobachten. Ich denke jetzt nicht im Traum daran, herunterklettern und mit Handtuch und Seife wie auf dem Campingplatz rüber ins Gut zu laufen. Naturbeobachtungen haben Vorrang. Während Reinier noch döst, wird uns eine große Holzkiste mit Frühstück auf die Veranda gestellt. Ich finde darin eine Thermosflasche Kaffee, warme(!) Milch, Käse und Wildwurst, selbstgemachte Marmelade, Honig, frische Brötchen, gegrilltes Gemüse, Rührei, (mit extra Speck für mich) und feinster Obstsalat. Alles im Glas. Alles aus der Region. Für ein Frühstück an der frischen Luft ist es leider schon zu kalt, aber wir machen es uns drinnen gemütlich und genießen die Köstlichkeiten in vollen Zügen. Dann heißt es leider schon wieder Abschied nehmen…

Schloß-Restaurant Linari
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Wir verabschieden uns bei Susanne Wurth und versprechen schon bald wiederzukommen. Zwischen dem BAUMHAUSHOTEL und unserem Ziel, dem Dorf Melzow in der nordöstlichen Uckermark, liegen 34 km. Uns ist kalt. Die wärmende Oktobersonne versteckt sich heute hinter grauen Wolken und es gab einen kleinen Temperatursturz. Nicht mehr als drei Grad sollen es an diesem Tag werden. Da hilft nur Bewegung. Wir passieren den Kölpinsee und ein wunderschönes Moor. Wege mit Kopfsteinpflaster bremsen uns anfangs und die Kälte setzt immer mehr zu. Wir passieren den idyllisch gelegenen Ort Friedenfelde, wo die Zeit irgendwie ein wenig stehengeblieben zu sein scheint. Mittelpunkt des Dorfes ist der SALON IM GUTSHAUS, eines typisches Brandenburger Herrenhaus. Alles sieht gemütlich und einladend aus trotz bröckelnder Fassade. Leider kommen wir außerhalb der Saison, es ist geschlossen. Nur einen Immobilienmakler mit Interessenten treffen wir an. Später erfahren wir, dass das Herrenhaus zum Verkauf steht. Fröstelnd gehts weiter durchs Uckermärkische Nirgendwo, wir beißen die Zähne zusammen und strampeln weiter.

Unser Dorf Melzow

Gegen Nachmittag erreichen wir endlich den Oberuckersee. Ich schnaufe, als hätte ich gerade die Alpen überquert. Auch das kleine 200 Seelen Dorf Melzow scheint Teil eines kleinen Gebirges zu sein. Wir müssen lachen: “Von wegen sanfte uckermärkische Hügel!” Das kreative Dorf mit Charme liegt umgeben von Buchenwäldern und unzähligen Seen. Vor dem idyllischen Aussichtspunkt kurz vor der Ortsmitte, eröffnet sich ein weiter Blick über die Uckerseen bis nach Prenzlau. Auch die Dorfkirche im Ort ist eine Schönheit. Die mittelalterliche Feldsteinkirche stammt aus dem 13. Jahrhundert und hat einen richtigen Schatz vorzuweisen: einen reichgeschnitzten Renaissancealter, der zu den schönsten der Uckermark gehört und u.a. bei den schon berühmten MELZOWER SOMMERKONZERTEN bewundert werden kann. Viele Künstler und Kulturschaffende haben sich auch in Melzow angesiedelt. Sie haben die verlassenen Höfe wieder herausgeputzt und liebevoll saniert. Moderne Reihenhäuser findet man hier glücklicherweise nicht. Die Gemeinde ist kulturell engagiert. Im Frühjahr, Herbst und Winter finden hier im Fachwerkhof Melzow regelmäßig die MELZOWER LESUNGEN statt. Freude für uns: auch als Ausgangspunkt für ausgedehnte Radtouren ist Melzow die richtige Wahl.

Das Ferienhaus Melzow

Unsere musikalische Vermieterfamilie besteht aus Tabea Höfer, Georg Kallweit und ihren inzwischen erwachsenen Kindern. Seit 1999 sind sie dauerhaft in Melzow ansässig. Die Natur, das Dorf mit seinen netten Bewohnern und eine feste Überzeugung haben früh die Entscheidung herbeigeführt hier sesshaft zu werden. Georg Kallweit geht von hier aus als Konzertmeister der Akademie für Alte Musik Berlin auf Reisen. Tabea Höfer ist als Musikerin, Musiktherapeutin und Geigenlehrerin tätig. Glücklicherweise hat das Paar ein zu Beginn des 19. Jahrhunderts errichtetes Stallgebäude, liebevoll restauriert und als FERIENAUS MELZOW eingerichtet.

Unsere Stallscheune diente früher als Stall für Schweine, Kühe, Pferde und der Boden als Lagerraum für Heu und Stroh. Beim Umbau zum Ferienhaus wurde sorgsam darauf geachtet, das besondere Flair und den eigenen Charakter des Hauses zu erhalten. Dies gelang unseren Gastgebern durch die Verwendung von ökologischen und historischen Baustoffen wie Lehm, alten Dielen und Ziegeln. Selbst die neuen Fenster wurden nach den originalen Gußeisenfenstern gefertigt. Viele erhaltene Details im Haus zaubern eine außergewöhnliche Atmosphäre. Im Schlafzimmer ist beispielsweise noch die alte Futterkrippe zu finden. Der ausgebaute Dachboden mit Sofa, Holzofen und Sitzecken ist beinahe ein Veranstaltungsraum für vielerlei Vergnügen. Unser Lieblingsraum im ganzen Haus ist ohne Zweifel die Küche. Besonders schön: die Fenster zeigen nach Norden, Osten und Süden und lassen somit fast den ganzen Tag herrliches Licht in den gemütlichen Raum. Fast schon zur Ausstattung der Scheune gehört auch Katerchen Findus. Wir genießen seine Besuche sehr. Ein Kaffee am Morgen mit der schnurrenden Katze auf dem Schoß wird schnell ein hübsches Ritual in unserem Häuschen.

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Dienstag

Miau? Ein Kater-Frühstück unterm Walnussbaum…


Als Radurlauber im Ferienhaus stößt man in Sachen Verpflegung an das ein oder andere Hindernis. Natürlich wäre es fantastisch, sich in den Hofläden der Umgebung oder beim Bauern direkt einzudecken. Leider kann man sich diese Wünsche, vorallem ohne Auto, nicht immer erfüllen und schon gar nicht, wenn man abseits der Saison spontan unterwegs ist. Wir haben keine Vorräte mitgenommen, wollen aber ausgiebig frühstücken und abends natürlich frisch kochen. Und so gibt es für uns nur einen Weg. Radtaschen entleeren und ab ins 23 km entfernte Prenzlau zum nächsten Supermarkt.

Glücklicherweise fährt im nahe gelegenen Warnitz der Regionalexpress und wir kommen innerhalb einer halben Stunde in die sogenannte “Hauptstadt der Uckermark”. Ich habe mir vorab Gedanken um Proviant für die Radtouren und ums Kochen am Abend gemacht und wir sind durch die Einkaufsliste schnell mit dem Notwendigen fertig. Leckeres aus der Region können wir trotzdem genießen. Unsere Gastgeber haben für uns unterhalb der Bodentreppe selbstgemosteten Apfelsaft gebunkert. Ein absoluter Hochgenuss.

Zurück in Melzow gönnen wir uns das üppigste und gemütlichste Frühstück vor unserer Scheune im Sonnenschein. Wir sammeln ein paar Walnüsse vom Grundstück, blinzeln in die Sonne und drehen mehrere Kaffeerunden. Findus raschelt dabei durchs Herbstlaub und gibt uns eindrücklich zu verstehen, was er von seinen(!) Gästen hier erwartet: Leckerchen und Streicheleinheiten!

Da wir keine Radtour für diesen Tag geplant haben, erkunden wir unseren Hof und die nahe Umgebung. Als Gäste dürfen wir uns auf dem ca. 4300 qm Gelände frei bewegen und sogar den Lagerfeuerplatz, den Grill und die Tischtennisplatte nutzen. Während wir eine Runde spielen, döst Findus neben uns unter der Sonne. Dem Hof  folgen in Richtung Feld noch ein kleiner Teich mit Enten, eine große Streuobstwiese die von Schafen gepflegt wird und ein großer Gemüsegarten. Wir sammeln weitere Nüsse fürs Abendbrot, denn wir haben Lust auf Feldsalat mit Birnen und Walnüssen.

Nicht weit von unserer Scheune entfernt, liegt das größte Naturschutzgebiet der Uckermark, der Melzower Forst. Hier gibt es überwiegend Buchen und Mischwälder - und mehr als 2000! kleinerer und größerer Seen. Manche Bäume haben hier seit 150 Jahren keine Axt mehr gesehen. Durch das viele Totholz und die vielen Seen gibt es eine entsprechend artenreiche Tier- und Pflanzenwelt, wie sie in Deutschland leider selten geworden ist. Wir beschließen uns treiben zu lassen und wandern ohne Karte einfach los. Das Wetter ist herrlich und wir haben es nicht weit nach Hause. Das Gewitter, welches eben noch drohte, hat wohl doch keine Lust. Wir bedanken uns trotzdem bei der kleinen Regenwolke die sich während unseres Spaziergangs frech vor die Sonne schiebt und uns ein Regenbogen-Fotomotiv beschert. Einziger Wermutstropfen ist das permanente Rauschen der Autobahn, die quer durch das Waldgebiet führt und keine absolute Stille zulässt. Drei Stunden später sind wir wieder Zuhause. Findus wartet bereits auf uns.

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Mittwoch

Ein Picknick mit Lenné und eine Märchenstunde mit dem letzten sprechenenden Baum.

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Die Sonne strahlt und verspricht uns einen traumhaften Ausflugstag. Wir haben einen Süßkartoffelstrudel und Tee verstaut und brausen voller Vorfreude den Melzower “Hügel” hinab. Anders als im Melzower Forst hat der starke Herbstwind hier auf dem freien Feld schon seine Spuren hinterlassen und sämtliche Bäume kahl gefegt. Wir tauchen lieber wieder hinein in den bunten Buchenwald und nehmen Kurs auf Görlsdorf, wo wir den weniger bekannten Lenné Park von 1830 besuchen wollen. Das Herz des schönes Parks ist allerdings schon gestorben. Vom Schloss aus der Mitte des 19. Jahrhunderts sind nur noch wenige Überreste zu sehen. Es brannt 1945 ab. Man kann sich kaum mehr vorstellen, dass einst sich sogar Alexander von Humboldt hier aufhielt.

Wir drehen einige Runden durch das natur- und kulturhistorische Kleinod. Eine einsame Bank ruft zur Rast, wir lassen den Blick schweifen, den Weg hinauf zum Teepavillon, über die Wiese zu den uralten Eichen und Buchen. Ein Teil des Areals sieht mehr nach Wald als nach Park aus. Dennoch sind sie unverwechselbar, die Sichtachsen und Freiflächen der Lennéschen Gartenkunst. Das Wetter ist noch warm genug für ein Picknick und am Pavillion finden wir ein hübsches Plätzchen im Sonnenschein. Der Strudel schmeckt noch besser als am Vorabend und der Tee wärmt uns. Ein älteres Pärchen winkt uns vom Wanderweg herüber. “ Das sieht so schön bei Ihnen aus, wie sie da eine Pause machen.”

An einem Aussichtspunkt im Park blicken wir auf weite Wiesen mit Dutzenden Pferden. Görlsdorf hat sich auch als Pferdezuchthochburg einen Namen gemacht. Der Landschaftspark schließt sich mit seinem seit 1883 existierenden Gestüt für Vollblutpferde unmittelbar an das Vogelparadies Blumberger Teiche an, unserem nächsten Ziel. Wir packen ein und folgen dem Ruf der Kraniche.

Kurz darauf erreichen wir die Blumberger Teiche. In der 140 Hektar große Anlage betreibt man Fischerei, vorallem werden Karpfen gezüchtet. Am Ende der Teiche lugt das NABU Naturerlebniszentrum hinter den Bäumen hervor. Das Informationszentrum des Biosphärenreservats Schorfheide-Chorin ist einem hohlen Baumstumpf nachempfunden. Mir gefällt wie harmonisch sich das Gebäude in die Landschaft integriert. Der Stumpf symbolisiert die Kreisläufe in der Natur. Die benötigte Energie wird aus Sonnenkollektoren und aus Erdwärme gewonnen, innen ist alles aus Holz, vom Dachbalken bis zu den Stühlen, Plastik sucht man vergeblich. Die Ausstellung ist besonders unterhaltsam gestaltet, Aufmerksamkeit erregt die sprechende Eiche. Sie erzählt allerhand wissenswertes sowie auch abenteuerliche Geschichten von vergangenen Zeiten. Wir legen uns unters Blätterdach auf gemütliche Kissen und tauchen ein in Erzählungen von des Buchenwäldern des Grumsin. Am Findling erfahren wir mehr über die eiszeitlich geprägte Landschaft der Uckermark und sinken mit unseren Füßen in einen herrlich weichen Moosboden. Entspannend und informativ ist der Abendspaziergang durch die gestaltete Außenanlage. Mehrere Pfade führen uns durch eine Landschaft aus Teichen, Wiesen und Schilfwald. Auf 14 Hektar finden wir hier alle typischen Landschaftsformen vor, sowie zwei gut getarnte Aussichtstürme um Seeadler und Kraniche zu beobachten. Leider ist das nahe liegende Gut Kerkow mit einem meiner liebsten Brandenburger Hofläden, an diesem Tag geschlossen und wir radeln direkt weiter zum Bahnhof Angermünde. Von dort bringt uns der Regionalzug wieder nach Warnitz zurück.


Donners

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Vom Geschmack der Kindheit und dem schönsten Dorf der Uckermark.

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Meine Brandenburger Landpartien bestehen grundsätzlich aus einer Mischung Spontanität und Must-sees. Einen Ort, den ich mir für diesen Urlaub im Planungsheft dick unterstrichen habe, ist der LANDGASTHOF ZUM GRÜNEN BAUM und das ehemalige Rittergut GUT TEMMEN in Ringenwalde. Vor einiger Zeit hatte ich auf dem malerischen, zwischen zwei Seen gelegenen Gut, ein Geburtstagswochenende mit Freunden verbracht und mich hoffnungslos in den Landstrich und eine luftgetrocknete Mettwurst - die Temmener Stracke, verliebt. Ich hatte mir die Öffnungszeiten des Hofladens vor Abreise notiert und die große Radrunde nach Temmen für diesen Tag fest eingeplant.

Obwohl uns Anwohner davon abraten aufgrund der schlechten Wege durch den Melzower Forst zu fahren, wollten wir es versuchen. Keine 20 min später finden wir uns einem wunderbaren Farbspektakel wieder. Der Höhepunkt der Laubfärbung war ohne Zweifel erreicht und kann nur als schönster Indian Summer bezeichnet werden. Mit jedem kleinen Windhauch regnet es “Blattgold” auf uns herab. Durch das bereits abgefallene Laub vieler Bäume ist jedoch unser Weg an vielen Stellen kaum mehr zu erkennen. Seen und Wasserläufe, sowie die rauschende Autobahn, fungierten als Wegweiser. Mehrmals treffen wir auf den Eichelhäher und das ein oder andere Reh. Wir erreichen auf halber Strecke ein gigantisches Moor, welches in all seiner herbstlichen Schönheit zwischen den großen Buchen liegt. In der Nähe von Pfingstberg stoßen wir auf den wunderschönen Jakobsdorfer See, welcher mit  kristallklarem Wasser aufwartet und von Buchenwald komplett umschlossen ist. Hier am Strand machen wir eine Pause und gönnen uns eine heiße Tasse Tee.

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Hinterm Buchenwald verändert sich die Landschaft. Der Blick wird auf einmal ganz weit. Die Wegverhältnisse werden leider nur kurzfristig besser. In der Poratzer Moränenlandschaft kämpfen wir mit dem Untergrund. Nachdem wir eine Abzweigung verpassen, müssen wir durch dichtes, sandiges Waldgebiet. Der Empfang ist weg - wir versuchen uns mithilfe einer Karte zu orientieren. Es glückt. Nach kurzer Zeit erreichen wir das niedliche Poratz.
Das ehemalige Köhlerdorf besteht aus einer einzigen kopfsteinigen Pflasterstraße. Auf Grund der umfangreichen Wälder in der Umgebung wohnten hier hauptsächlich Köhler, die als Nebenerwerbsbauern kleine Höfe zur Selbstversorgung betrieben. Mit seinen alten Fachwerkhäusern zählt Poratz ohne Zweifel zu den schönsten Dörfern der Uckermark. Auch wir sind ganz verzaubert. An der Straße steht ein kleiner Verkaufsstand. Liebevoll gestaltet mit Schildern aus Keramik. Ich entscheide mich für ein großes Glas Rapshonig mit einem kleinen getöpferten Keramikherz als Anhänger. Am Ortsausgang begegnen wir am Zaun einem hübschen schottischen Hochlandrind, welches durstig an einer Tränke steht. Wir beobachten das zottige Tier und spüren wie uns der Magen knurrt. Ausflüge machen hungrig. Bis zum Landgasthof zum Grünen Baum sind jetzt noch knapp 6 km.

Direkt am Dorfplatz in Temmen-Ringenwalde, mit einem riesigen grünen Baum vor der Gasthoftür, steht ein grüne Fachwerkhaus, in dem eine Familie Räthel seit 10 Jahren einen Landgasthof mit Pension betreibt. Der Außenbereich ist liebevoll mit Kürbissen dekoriert. Vielleicht schon ein kleiner Hinweis auf die heutige Speisekarte? Nach meinem letzten Besuch im Sommer packte ich den LANDGASTHOF ZUM GRÜNEN BAUM schnell in meine Schublade mit den Geheimtipps. Die gemütliche Atmosphäre durch liebevoll zusammengewürfelten Trödel und alte Möbel und die ausgezeichnete regionale Küche haben mich damals schon begeistert. Auch heute ist der Gasthof gut besucht. Wir dürfen aus einer kleinen Mittagskarte wählen, die uns Besitzerin Katharina an den Tisch bringt. Die Entscheidung fällt auf Rotkohlsalat, Bratkaas mit Gemüse aus dem Garten. Frisch und lecker.

Der nächste kulinarische Höhepunkt wartet jedoch nur wenige Kilomater weiter im Hofladen von GUT TEMMEN - die “Temmener Stracke”. Die Wurst ist das Aushängeschild des Hauses und überregional bekannt. Für Gutsbesitzer Rolf Henke ist diese besondere Wurst von seinem Opa, der Schlachter war, eine heilige Kindheitserinnerung. Der ehemalige Drucker kaufte das Gut, welches aus über 2500 Hektar Weiden, Wiesen und Äcker besteht, 1997 von der Treuhand. Heute ist Temmen ein vielfältiger ökologischer Gemischtbetrieb mit Ackerbau und Tierhaltung und ganz besonderen Untermietern. Eine Pferdezucht für Missouri Foxtrotter und eine Gärtnerei für seltene Wildsamen haben sich hier niedergelassen. Wir kaufen im Hofladen Brot, Käse und natürlich Temmener Stracke, die monatelang in Naturlehmkammern getrocknet und gereift worden ist. Der Philosophie des Hofes spüren wir bei einem Besuch über das Gutsgelände nach. Macht man hier ein paar Tage Urlaub, gäbe es vermutlich jeden Tag etwas Neues auf Gut Temmen zu entdecken. Im Gutshaus gibt es wunderschöne urige Gästezimmer. Im Sommer lädt der See zum schwimmen, im Winter eine Wohnwagensauna zum schwitzen ein. Wir wippen ein paar Minuten auf einer Holzschaukel am Ufer, Pferde wiehern von den Weide hinüber, ein paar aufgescheuchte Wasservögel überfliegen den See. Wir verstauen unseren köstlichen Proviant in den Radtaschen und machen uns auf den Heimweg. Es beginnt zu dämmern. Bis nach Melzow sind es noch 15 km. Bevor wir im Dorf zu unserem Ferienhaus abbiegen verführt uns ein lila-rosa-Sonnenuntergang zu einem letzten Stop auf dem Melzower Aussichtspunkt “Wietblick”. Ein wundervoller Tag neigt sich dem Ende.


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Freitag

Pilzkunde mit Fernsehonkel Peter und ein Ort unter Volldampf…

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Unser letzter Tag startet gemütlich in unser Küche. Die Erzählungen über “Killerpilze” in einer alte Folge LÖWENZAHN mit Peter Lustig machen sehnsüchtig. Sehnsüchtig nach Maronen für die Pfanne. Während wir uns 2018 richtig satt essen konnten, sieht es bisher aufgrund der starken Trockenheit traurig aus. Unser heutiges Tagesziel Gramzow liegt nur 10 km entfernt und ist „ältester urkundlich überlieferter Ort der Uckermark“. Die Route führt erneut durch den Melzower Forst, in dem wir auf den Hinweis für ein nahe liegendes Blocksteinkistengrab stoßen. Auf einer Höhe von ca. 106 m finden wir das beschriebene Grab, in dem ca. 2500 v.Chr. Verstorbene beerdigt wurden. Beim Bau der Autobahn wurden in den 30er Jahren viele dieser großen Steinkisten entdeckt. Hier auf dem Zimmerberg ist noch eine unzerstörte Steinkiste zu sehen. 1986 wurde sie durch mehrere ehrenamtliche Helfer wiederhergestellt. Wir überqueren die Autobahn und nehmen Kurs auf Gramzow. Von weitem schon ist die geschichtsträchtige Silhouette der Klosterruine, dem Wahrzeichen des Ortes, zu sehen. Wir drehen eine kleine Runde durch den Ort und freuen uns über die verlängerte Öffnungszeit des Bäckers am Markt, wo wir frisches Brot und Kuchen kaufen.

Gramzow war einst ein wichtiger Bahnhof auf der 25,3 Kilometer langen Strecke von Schönermark nach Damme. Der fruchtbare Landstrich rund um das älteste Dorf der Uckermark, war schon immer geprägt von der Landwirtschaft. Um die reiche Ernte der “Kornkammer Berlins” rasch auf den städtischen Markt zu bringen, entwickelte sich die Kleinbahn. 1905 wurde sie in Betrieb genommen und rollte ganze 90 Jahre. Heute erlebt man hier im Brandenburgischen Museum für Klein- und Privatbahnen faszinierende Eisenbahnnostalgie. Im kleinen Museum, das engagierte ehrenamtlichen Mitglieder eines Fördervereins betreiben, gibt es historische Loks und Wagen zu entdecken sowie allerhand Eisenbahntechnik. Das schöne alte Bahnhofsgelände mit Lokschuppen, Gleisbauschuppen und Güterboden, in dem eine elektrische Spielbahn steht, bilden das passende Ausstellungsgelände. Es gibt Ausstellungen zu Gleisbau, Arbeitsalltag und Fernmeldetechnik. An einigen Tagen im Jahr werden die großen Transportriesen für Ausfahrten wieder zum Leben erweckt. Der freundliche Museumsführer läd uns ein die Handhebel-Draisine auszuprobieren. Mit purer Armkraft hebeln wir die Draisine 200m bis zum alten Bahnhofsgebäude und wieder zurück. An anderen Tagen kann man Richtung Lützlow zu einer rund sechs Kilometer langen Tour starten.

Auf dem Heimweg durch unseren Wald entdecken wir durch aufmerksames Beobachten einen markanten, an einer Lichtung erbauten, Hochstand. Das Abendlicht fällt so hübsch auf den Platz, das wir uns entschließen, ein paar Fotos zu machen. Während ich auf die Lichtung trete, recken zwei kleine Maronen ihre Köpfchen aus dem Gras. Konnte das sein? Wir haben während unser Reise vermehrt nach Pilzen Ausschau gehalten, aber ohne den geringsten Erfolg. Jetzt haben wir natürlich nichts dabei. Keinen Beutel, kein Messer. Nichts. Gefolge dem Motto “Wo es einen Pilz gibt, muss es mehr geben” suchen wir auf der grasigen Fläche weiter. Immer mehr Pilze, kleine Maronen, waren hier gewachsen. Wir freuen uns riesig über die Fundstücke und müssen nicht mehr länger von einer großen Pilzpfanne zum Abendbrot träumen. Hach, Essen selber sammeln ist einfach großartig. Wir fahren weiter. Auch an unserem letzten Abend machen wir Halt bei unserem “Wietblick”. Es ist mittlerweile dank des fantastischen Wetters ein richtiges kleines Abend-Ritual geworden und wird uns in der Großstadt ebenso fehlen wie Kater Findus.

Bis bald, schöne Uckermark!

Wir sind in diesem Urlaub zu Landschwärmern verkommen, im positivsten Sinne. Ein Daumenkino aus Postkartenidyllen zog jeden Tag an uns vorbei - jeder Tag brachte neue Entdeckungen. Eine echte “Quality Time” ohne Handys und Kreuzberger Nächte liegt hinter uns. Solange wir der Großstadt nicht den Rücken kehren können, träumen wir weiter. Vom (Er)Leben hier draußen.


Ein ganz großes Dankeschön an die TMU, die uns zu der Übernachtung im Baumhaushotel Uckermark eingeladen hat..

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