Frostige Uckermark
Warten auf den Winter
Wie bereits in einigen Jahren zuvor, haben wir Berliner in der beliebten Revue "Wintermärchen" keine Tickets mehr abbekommen. Der Januar war der dunkelste Monat seit langem, nicht mal die Sonne stattete der grauen Hauptstadt einen Besuch ab. Ich bezeichne mich immer als Kind aller Jahreszeiten - aber der Winter ist und bleibt etwas ganz Besonderes für mich. Vielleicht auch gerade weil er bei uns hier im Osten so selten ist. Mit steigender Sehnsucht verfolge ich fast täglich diverse Wetterberichterstattungen um den langersehnten Wintereinbruch auf keinen Fall zu verpassen. Vor wenigen Wochen war es dann soweit. Der Tourismusverband Uckermark postete mit einem Mal schneeweiße Bilder auf Instagram. Ein kleines Polargebiet fegte bereits seit Tagen über die Uckermark hinweg und verzauberte die ohnehin schon atemberaubende Landschaft in einen weißen Wintertraum. Die Pläne für das Wochenende hatten sich blitzschnell gefunden. Die Fahrradtaschen wurden gepackt, Brote und heißer Tee vorbereitet und die erste Bahn Richtung Angermünde erwischt. Was wir am Ende des Tages erlebten, übertraf alle Erwartungen.
Von Angermünde nach Joachimsthal
Die Uckermark empfängt uns mit dichten Wolken und einer kleinen Schneedecke. Wir radeln im Zick-Zack durch Angermünde Richtung Kerkow. Dort wollen wir das Bio-Gut und den Hofladen besichtigen. Die Bedingungen zum Radfahren sind gut, die dünne Schneedecke auf den Radwegen verhindert das Rutschen, außerdem herrscht Windstille. Die Temperaturen um den Gefrierpunkt motivieren uns, unsere knapp 30km lange Strecke auch durchzuziehen. Gut Kerkow ist ein Bauernhof wie er im Buche steht. Auf dem Hof werden wir von wunderschönen schwarzen Aberdeen-Angusrindern begrüßt, die jedoch in ihr Frühstück vertieft sind und sich von uns nicht weiter stören lassen. Auch wir sind ohne Frühstück losgeradelt und freuen uns über den täglich geöffneten Hofladen. Es gibt eine große Auswahl an Bioprodukten, vom Wein über regionalem Gemüse bis zum Demeter-Quark aus der Nachbarschaft. Um das Loch in unserem Bauch zu füllen, bestellen wir Kaffee und Heidelbeerkuchen.
Als wir kurze Zeit später das Naturschutzgebiet Blumberger Teiche erreichen, wissen wir noch nicht das wir uns hier auf einem bis 1989 unzugänglichem Gebiet befinden. Die Nabu kaufte 1993 das Gelände und bewirtschaftet seitdem das Teichgebiet, das Zuhause von vielerlei Tier- und Pflanzenarten. Die Teiche sind komplett von einer dicken Eisschicht überzogen. Wir sind mutig und wagen erste Gehversuche. Das Eis ist so dick, dass es nicht einmal einen Ton von sich gibt. Wir deuteten dies als Glücksfall, doch wir sollten noch einige Überraschungen erleben.
Unser nächstes Ziel ist das kleine Dorf Wolletz mit gerade einmal 150 Einwohnern, malerisch gelegen am gleichnamigen See. Im Dorf finden wir ein Jagdschloß, ein modernes Guthaus und einen ehemaligen Konsum, der uns sofort ins Auge sticht. Er beherbergt ein Café mit ausgezeichneten Burgern und Wildbratwurst. Die Hirschgeweihe an der Wand tragen Plüsch und während wir uns wärmenden Cappucchino bestellen, gehe ich in alten DDR Kochbüchern dem Geschmack meiner Kindheit auf die Spur: Quarkkeulchen und Soljanka. Sicherheitshalber mache ich lieber gleich ein paar Fotos der Rezepte. Hinter dem Konsum ist der See bereits zu sehen. Wir sind sprachlos, als wir erkennen, dass auch dieser See mit einer festen, geschlossenen Eisdecke auf uns wartet. Reinier traut sich sogar mit dem Rad zur in der Mitte des Sees gelegenen Insel zu fahren. Ich schaue ihm zu und versuche dieses unwirkliche Szenario irgendwie in die Kamera zu bekommen.
Hinter Wolletz versteckt sich ein weiteres Highlight der Uckermark - die Buchenwälder des Grumsin. Das Unesco Weltnaturerbe ist die Heimat vieler Rotbuchen und bietet unberührte Natur pur. Wir fahren durch Altkünkendorf, einem guten Ausgangspunkt wenn man die Buchenwälder erfahren will. Im Ort gibt es eine hübsche Brennerei und ein Informationszentrum, in dem man Karten und Informationsmaterial für seine Wanderung bekommt. Die Landschaft ist ein Auf und Ab - teilweise geht es mit dem Rad nur langsam vorwärts. Die Straßen sind teilweise so löchrig das ein sich entspanntes Umherblicken kaum möglich ist. Wir sehen eine Rehfamilie, die nur wenige Meter vor uns die Straße kreuzt.
Es ist schon Nachmittag als Sonne endlich die nebelige Sicht durchbricht. Der Große Grumsinsee wird in ein fast goldenes Licht getaucht. Wir sind vollkommen allein, als wir auf den See treten und sich ein unvergleichliches Winterpanorama vor unseren Augen auftut. Jeder von uns genießt diesen Augenblick auf seine Art. Während Reinier mit seinem Rad einmal quer über die Eisfläche fährt, wandern zwischen meinen Händen immer mehr Bilder in die Kamera. Ein schöner Moment nach dem anderen.
Langsam machen wir uns auf den Heimweg Richtung Joachimsthal. Durch Zufall entdecken wir hinter einer Abzweigung im Wald ein ehemaliges Kinderferienlager aus DDR-Zeiten, dass inzwischen zu einer kleinen Ferienhausanlage umgestaltet wurde. Beim Anblick des in rosa Licht getauchten Grimnitzsees lassen wir uns zu einer ungewöhnlichen Heimfahrt hinreißen. Querfeldein übers Wasser zum Bahnhof am anderen Ende des Sees. Reinier ist so ergriffen, dass er mich auf dem Bahnsteig angekommen, fest umarmt und sich bei mir bedankt. So kitschig es auch sein mag, an diesem Tag hatten wir beide einen ganz besonders magischen Wintermoment erlebt.
Auf dem Weg zu den Blumberger Teichen
Im Dörfchen Wolletz
In den Grumsin
Großer Grumsinsee
Grimnitzsee
Eine detaillierte Tourenbeschreibung findest Du hier bei Komoot.