Schätze am Strom

 
 

Diese Reise entstand in Zusammenarbeit mit dem Elberadweg.

Wie der Fluss in die Tiefen der Landschaft dringt, sich ins Leben vorarbeitet wie Tinte ins Löschpapier, so war in Sachsen alles mit Geschichte getränkt.
— Uwe Tellkamp, Dresdner Schriftsteller

Der Elberadweg am gleichnamigen Strom gehört fast jedes Jahr zu den beliebtesten Radwegen Deutschlands. Auf einem Plateau im tschechischen Riesengebirge wird die Elbe als kleiner, quirliger Gebirgsbach geboren und legt auf dem Weg zum Meer 1.100 km zurück. Eine weite Reise liegt vor dem Fluß, vorbei an Burgen, Schlössern, malerischen Kleinoden bis in die Nordsee. Wir haben uns im vergangenen August sehr über die Einladung von Heike Grunow, Projektkoordinatorin Elberadweg Süd, gefreut, den Elbe-Abschnitt Riesa – Lutherstadt Wittenberg (128 km) näher kennenzulernen. Was wir bis dato nämlich noch gar nicht wussten: auch an der Grenze zu Sachsen liegt ein kleines Teilstück Brandenburgs an der Elbe. Für uns Grund genug, die Radtaschen zu packen und Richtung Mühlberg/Elbe aufzubrechen.


Tag 1: Riesa – Mühlberg/Elbe

Willkommen in Riesa

Von Berlin gelangt man mit einem Umstieg in ca. 2.15 h bequem mit dem Nahverkehr nach Riesa, dem Startpunkt unserer Elbetour. Die sächsische Mittelstadt liegt direkt an der Elbe auf halber Strecke zwischen Dresden und Leipzig. Sie entwickelte sich einst aus einem kleinen slawischen Fischerdorf und Klostergut und wuchs im 19. Jahrhundert sehr schnell zu einer bedeutenden Industrie- und Hafenstadt heran. Es gab hier Stahlwerke, Mühlen und einen riesigen Hafen. Wir wollen uns 2 Stunden Zeit nehmen die Stadt, von der man sagt, sie hätte viele Gesichter, näher kennenzulernen. Mit dem Fahrrad klappt das immer besonders gut. Zunächst steuern wir das nah am Bahnhof gelegene Wahrzeichen der Stadt an. Die schon von Weitem sichtbare „Elbquelle“ des Künstlers Prof. Jörg Immendorff. Die 25 Meter hohe und 234 Tonnen schwere, aus rostigem Gusseisen zusammengesetze Skulptur ist von den Wintereichen aus dem Gemälde C.D. Friedrichs inspiriert und hat die Form einer unbelaubten Eiche. Ein beeindruckendes Kunstwerk. Über den längsten Fußgängerboulevard Sachsens gelangen wir in wenigen Minuten zur ältesten Klosteranlage der Mark Meißen. Hier nahm einst die Stadtgeschichte ihren Anfang. Am Rathaus bestaunen wir den unter Naturschutz stehenden riesigen Blauregen. Wäre es jetzt Mai und nicht August, würde vor unseren Augen ein beeindruckendes Blütenspektakel stattfinden. Am Fuße des Ostflügels befindet sich außerdem ein besonderer Tierpark mit heimischen Wildtierarten sowie riesige Aquarien mit fast 20.000 Liter Wasservolumen. Die Tanks beheimaten Fische, deren natürlicher Lebensraum die Elbe ist. 

Die Mittagshitze erreicht ihren Höhepunkt, so dass wir beschließen, uns kurz im Schatten des Stadtparks abzukühlen. Die schöne Grünanlage führt vom Kloster direkt zur Elbe. Am Ufer könnten wir nun mit der Fähre auf den rechtelbischen Teil übersetzen, wir haben jedoch noch eine wichtige Verabredung im Industriegebiet. Der von Künstlern bemalte Kühlturm des Stahlwerks erweist sich als nützlicher Wegweiser. Der einst sehr bedeutende Industriestandort steht allerdings für mehr als nur Stahl. Rund 3.000 Menschen stellten zu DDR-Zeiten in Riesa Reifen, Zündhölzer, Seifen und Nudeln her, während weitere 13.000 im Stahlwerk malochten. Auch heute noch arbeiten hunderte von Menschen im Industriequartier. Wir steuern mit knurrendem Magen das bekannte Nudelcenter von Riesa an. Seit 1914 sind die köstlichen Teigwaren eine echte Erfolgsmarke der Stadt. Die Produktionsstätte verbirgt sich hinter einem wunderschönen und stattlichen Ziegelbau, typisch für seine Zeit. Hier wird Besuchern eine komplette Erlebniswelt rund um die Nudel geboten. Es gibt eine Gläserne Produktion, ein Nudelmuseum samt Restaurant und kleinem Biergarten. Hier bestellen wir uns die langersehnten hausgemachte Nudeln und erfrischende Limonade. Den extra Umweg sollte man in Riesa gerne einplanen.

Endlich wieder Grünblau

Wir fahren zurück zum Bahnhof und landen schnell wieder auf unserem Radweg. Er verläuft jetzt direkt am Fluß entlang. Während die Elbe in Tschechien durch zahlreiche Staustufen und Wehre verbaut ist, ist sie hier ein noch weitgehend frei fließendes Gewässer. Wir seufzen. Es ist wirklich ein Sommertag wie aus dem Bilderbuch. Ist überhaupt noch Pandemie? Das weite Land der Mittelelbe um uns leuchtet grün und blau, aber es ist menschenleer. Wo sind die Heimaturlauber? Die Augustsonne brennt vom Himmel und lässt uns bei immer noch fast 30 Grad ordentlich schwitzen. Wir schauen uns um. An den Bäumen beginnen die Früchte zu reifen, der Mais steht überreif auf dem Feld. Auf dem perfekt asphaltierten Weg kommen wir gut voran, den Strom zu unserer Rechten immer im Blick. Vor Strehla müssen wir die Elbe mit der Kamera festhalten. Was für ein Postkartenpanorama mit dem schönen Lorenzkirch, der kleinen Fähre und diesem hübschen Elbeknick. Magic Moment. Obwohl die Zeit drückt, wollen wir unbedingt Schloss Strehla besuchen, auch wenn wir uns dafür mit dem Rad auf die Höhen des Ortes quälen müssen. Die ehemalige Burg wurde einst auf einem steilen Hügel nach Norden und Osten errichtet. In der Überlieferung heisst es, dass der Ort nur einen Pfeilschuss weit vom Ufer der Elbe entfernt sei und die Stadt dieser Distanz ihren Namen verdankt. Pfeil heisst auf slawisch nämlich “Styl”. Wir sind endlich oben und wissen sofort, dass die Entscheidung richtig war. Das eindrucksvolle Torhaus, welches heute von den Besitzern als Wohnhaus genutzt wird, wirkt überaus einladend. Wir schauen uns um und legen uns im Burghof am Kräutergarten auf die Wiese unter schattenspendenden Bäumen. Die einst sehr wehrhafte Burg zählt heute zu den ältesten und eindrucksvollsten Kulturdenkmälern der nordsächsischen Elblandschaft, deren wertvolle Innenausstattung des Schlosses 1945 leider verloren ging. 1994 wurde das Schloss Strehla nach einer Versteigerung privatisiert und teilsaniert, heute steht es größtenteils leer. Bezaubert von der Idylle der alten Gemäuer, muss alles andere noch etwas warten. Während ich im kühlen Gras in den fast wolkenlosen Himmel schauen darf, hat Reinier einen Platten und muss flicken. Etwa 30 Minuter später lassen wir uns mühelos zur Fähre rollen und bestaunen im Schnelldurchlauf diesen hübschen Ort. Schade, dass wir schon weiter müssen. 

Die düstere Vergangenheit der Elbwiesen

In der Nähe des Fähranlegers fallen uns drei Fahnen auf, die etwas schlaff an ihrem Fahnenhalter hängen. Sie machen uns auf einen welthistorischen Moment aufmerksam. An diesem Ufer vor Lorenzkirch fand am 25.April 1945 die erste Begegnung zwischen den Alliierten statt. Für ein Foto ist leider keine Zeit mehr, unsere Fähre „Nixe“ hat soeben angelegt. Wir wollen jetzt übersetzen. In den dünn besiedelten Landstrichen an der Elbe sind Fähren oft die einzige Möglichkeit, über den Fluss zu kommen. In weniger als 3 Minuten haben wir das andere Elbufer erreicht. Hier vor Lorenzkirch erzählen uns Schautafeln von den schrecklichen Ereignissen kurz vor Kriegsende. Drei Tage vor dem Eintreffen der Alliierten gerieten hier auf den Wiesen Tausende von Flüchtlingen, die in letzter Minute über die Elbe fliehen wollten, zwischen die Fronten. Hunderte Zivilisten, darunter Frauen und Kinder, starben an Land und im Wasser. Die beim Anblick des Schlachtfeldes erschütterten Alliierten beschlossen daher, den historischen Moment für die Weltöffentlichkeit im 20 km entfernten Torgau zu vollziehen. Dort wurde dann auch jenes Bild geschossen, welches als erste Begegnung der Alliierten um die Welt ging und Torgau weltbekannt machte. Zum Verdruss der Lorenzkircher (das Treffen in Lorenzkirch wurde weder protokolliert, noch veröffentlicht), reklamiert Torgau bis heute den historischen Brückenschlag für sich. Zusätzlich blieb die schreckliche Wahrheit über diesen Tag, aus Rücksicht auf die deutsch-sowjetische Freundschaft, lange ein Tabu. Erst nach der Wende wurde den Opfern hier ein Gedenkstein gesetzt. Etwas aufgewühlt fahren wir nach Kreinitz weiter, die Gräuel der Kriegstage hinterlässt auch bei uns Spuren. Es ist mittlerweile 18 Uhr und nach der gleißenden Mittagssonne, die mir oft jede Lust am Fotografieren verdirbt, wird es mit der „Golden Hour” nicht nur für den Körper angenehmer. Das ganze Land scheint jetzt aufzuatmen. Schafherden blöken, Kirchsturmspitzen blitzen und neben uns funkelt immer wieder die Elbe. Es ist, als hätte jemand das Sommerkino angeknipst. Die Brandenburger Grenze ist jetzt ganz nah.

Die Stimmung hebt sich wieder, als wir in einer Dorfkurve das charmante Schild “Casa Primitivo” entdecken. Obwohl wir einfach nur noch ankommen wollen, nutzen wir diesen liebevoll eingerichteten Rastplatz für eine erfrischende Pause und den tollen Blick über den Elbdeich. Was für eine Ruhe! Die Besitzer betreiben hier kein offizielles Café, stellen aber bei Lust und Laune ein paar Stühle, Badewannen und Schaukeln raus und wer hier nach einem Bier fragt, bekommt auch eins. Spätestens jetzt stellt sich bei uns ein richtiges Urlaubsgefühl ein. Wir ziehen die Turnschuhe aus und hängen die Beine in den Badebottich. Das mittlerweile warme Wasser erfrischt zwar nicht mehr richtig, das gekühlte Radler dafür umso mehr. Es fällt uns wirklich nicht leicht weiterzufahren, gerne würden wir hier noch auf den Sonnenuntergang warten. Aber unsere Gastgeber in Mühlberg sollen nicht unnötig auf uns warten.

Sachsen trifft Brandenburg

Das kleine brandenburgische Mühlberg/Elbe begrüßt uns mit golden funkelndem Kopfsteinpflaster und einer beeindruckenden Rathauskulisse in der Farbe "buttercremepastell“. Der erste Eindruck ist einfach nur WOW. Unsere Unterkunft in der “Herberge Alte Meistery” befindet sich direkt im Altstadtkern in einem um 1800 erbauten Bürgerhaus. In unserer Nachbarschaft liegen ein Kloster und ein überregional bekanntes Reformationsgeschichtliches Museum. Herbergsvater Andreas hat uns schon erwartet und zeigt uns persönlich eine schnuckelige Dach-Ferienwohnung, die er auf den hübschen Namen “Schnürsenkel” getauft hat. Herzlich werden wir im Innenhof zu Tisch gebeten. Der Garten ist umwerfend mit kleinem Kräutergärtchen, Gewächshaus und vielen Sitzgelegenheiten. Ich komme gar nicht dazu, die liebevoll angerichtete Abendbrotplatte zu würdigen, ich habe erstmal nur Augen für den Garten. Zum Glück kann nichts kalt werden. Den Tag lassen wir mit einem Abendspaziergang zum Kloster Marienstern ausklingen. Es ist ein herrlicher Sommerabend und Pater Alois hat noch nicht abgeschlossen. Er führt im Kloster ein Ökumenisches Haus der Begegnung und Stille, welches jedem offen steht. Obwohl es schon dämmert, tummeln sich noch viele Besucher auf dem großen Klostergelände. Im Halbdunkel wird die Abtei zu einem magischen Ort, an dem die Welt sich ein bisschen zu vergessen scheint. Würde man sein Ohr an die alten Mauern legen, könnte man es dahinter sicher flüstern hören. Sonst ist nicht viel los in Mühlberg. Ab Juni gibt es wohl einen neuen Betreiber für die Gaststätte am Seeblick. Andreas hat aber vorgesorgt, hier muss niemand durstig bleiben. Wir gönnen uns noch ein kühles Abendbierchen aus seinem eingerichteten SB-Kühlschrank und fallen bald ins Bett wie nach einem gelaufenen Halbmarathon. 

Tag 2

Gesucht: idyllisches Kleinod

Als ich leicht gerädert erwache, was natürlich nicht am wunderbaren Komfort unseres “Schürsenkels” liegt, hat das kleine Städtchen Mühlberg/Elbe schon lange das Licht hochgedimmt. Ich lass Reinier noch schlummern, schnappe mir die Kamera und mache mich lautlos von dannen. Das weiche Morgenlicht ist schon beinahe verschwunden. Ich bummle jetzt in den anderen Stadtkern, da es in der historischen Doppelstadt natürlich alles zweimal gibt: zwei Kirchen, zwei Rathäuser und auch zwei Marktplätze. Der mittelalterliche Flair ist bezaubernd, traurig stimmen wieder die für immer geschlossenen Geschäfte. Aber die leerstehenden alten Herrenhäuser regen das Träumen an. Hier könnte man sich richtig wohlfühlen. Es wird behauptet, die Stadt sei ein ungeschliffener Diamant, der vor allem gestressten Großstädtern das bieten könnte, wonach sie sich sehnen. Aber auch Mühlberg kämpft die selben Kämpfe wie viele brandenburgische Kleinstädte. Sie blicken in eine ungewisse Zukunft. Irgendwann stehe ich auf dem Deich und schaue ins Land. Ich erinnere mich an das Jahr 2002, als beim Jahrhunderthochwasser durch Sturmtief “Ilse”, die Wassermassen der Elbe kurz unterhalb der Deichkrone standen und über 3.000 Einwohner evakuiert werden mussten. Während die Städte Sachsens überflutet wurden, waren die Schaden in Mühlberg glücklicherweise nur gering. Ich bummle weiter durch eine Schrebergartenanlage, in der schon fleißige Hände in der Gartenerde wühlen. Herrlich ist es hier. Die Dahlien blühen um die Wette, Wespen machen sich über das Fallobst her, perfekt reife Tomaten hängen an langen Rispen. Ich werde hungrig und laufe zur Herberge zurück. Im Garten bei Andreas ist bereits der Frühstückstisch gedeckt. Langes Frühstücken auf Reisen sind mir der liebste Luxus und ich genieße es noch mehr, wenn es an so schönen Plätzen wie unserem Herbergsgarten serviert wird. Wir packen unsere Räder, bedanken uns bei Andreas und machen uns auf den Weg zum Museum, wo die nächste Geschichtsstunde auf uns wartet.

Die Schlacht von Mühlberg

Das auch dieser kleine Ort seinen festen Platz in den Geschichtsbüchern hat, erleben wir in der 1531 erbauten ehemaligen Klosterprobstei. Im Museum 1547, welches das furiose Finale des ersten Religionskrieges auf deutschem Boden veranschaulicht, wurde bereits seit 1926 ein Heimatmuseum geleitet. Im Innenhof wartet schon Mitarbeiter Michael Piero auf uns. Durch ihn erfahren wir mehr über den Sieg Kaiser Karls V. gegen den Schmalkaldischen Bund und die Besonderheiten dieses Museums. Es blättert die Vorgeschichte und die Folgen dieses Ereignisses besonders eindrucksvoll auf und schafft den Spagat zwischen historischen Räumen mit Wandmalereien aus dem 16. Jahrhundert und modernem Ausstellungsdesign. Heiligenfiguren, lithurgische Handschriften und Reliquien präsentieren sich eindrucksvoll zwischen animierten Kartentischen. Neben der Schlacht erfahren wir noch einiges mehr zur Stadt- und Reformationsgeschichte von Mühlberg und lernen durch die Dauerausstellung das ehemalige Kriegsgefangenenlager und spätere NKWD-Speziallager kennen, welches sich hier vor der Stadt befand. Nach so viel Geschichte wird es im Museumscafé aber auch privat. Michael ist selbst passionierter Radfahrer. Bei Kaffee und Keksen plaudern wir noch eine Weile über das unterschätzte Mühlberg, die Problematik des angrenzenden Kiesabbaus, seiner Liebe zum Rennrad (er fährt jeden Tag 60 km mit dem Rad zur Arbeit nach Mühlberg) sowie seine Passion für Geschichte. Der Blick auf die Uhr holt uns leider wieder in die Gegenwart zurück. Wir müssen los. Wir schwingen uns auf die Räder und gelangen über einen engen Schleichpfad am Schloss zur großen Elbbrücke, mit der wir wieder auf das westliche sächsische Ufer gelangen. 

TAG 2: Mühlberg/Elbe – Dommitzsch

Immer flussabwärts

Die Kohlenhydrate des Frühstücks pushen uns reichlich für die bevorstehende Tagesetappe nach Dommitzsch. Die sanfte Fahrt über die wunderschöne Elbbrücke ist ein erstes Streckenhighlight. Die Kombination aus innovativer Konstruktionsidee und schlichter Eleganz sicherte der - an dieser Stelle lang ersehnten- Brücke den Deutschen Brückenpreis. Wir folgen dem Elberadweg nun linkselbisch und plötzlich ändert sich die Szenerie. Statt Waldidyll und Elbaue erwarten uns Tagebauten und geflutete Restlöcher des Kiesabbaus. Ich muss sofort an ein bekanntes Sprichwort der Lausitz denken: “Gott hat die Lausitz geschaffen, aber der Teufel die Kohle darunter”. Auch in Mühlberg und Umgebung schien der Schuft in der Gestaltung der Landschaft seine Finger im Spiel gehabt zu haben. Im Gegensatz zur Lausitz ist hier zwar nichts auf Kohle gebaut, dafür aber auf jeder Menge Sand und Kies. Und dieser ist noch dazu besonders hochwertig und wird von Bauingenieuren geliebt. Sie verbauten ihn u.a. in der Berliner Stadtautobahn und in der Hamburger Elbphilharmonie. Auch Herr Piero erzählte uns, dass die Proteste gegen den Abbau immer lauter werden und sich mittlerweise einige Bürgerinitiativen daran versuchen, den Kiesabbau in der Region einzudämmen. Unweit des Ritterguts Dröschkau reizt uns der ca. 700 Meter abseits des Elberadwegs liegende verwunschene Landschaftspark Treblitzsch. Das 5 ha große Areal gehört zu den wertvollsten Gehölzsammlungen des Freistaates Sachsen und steht mit seinen über 200 Baum- und Straucharten unter Naturschutz. Wir nehmen uns die Zeit, um die Kaukasische Flügelnuss, Japanische Sicheltannen und Nordamerikanische Alcocks-Fichten zu bestaunen, bevor wir Richtung Belgern weiterziehen. 

Toskanafeeling hinterm Deich

Die Zeit sitzt uns durch den späten Aufbruch in Mühlberg im Nacken. Die vielen Sehenswürdigkeiten sind jetzt immer schwieriger zu bewältigen und wir priorisieren. Die historische Stadt Belgern, mit ihrer berühmten Rolandfigur aus dem Jahre 1610, lassen wir buchstäblich links liegen und biegen sofort zum Fähranleger ab. Wir könnten auch linkselbisch bleiben und der weiteren Streckenführung folgen, allerdings hat uns Heike den Tipp gegeben, dass das rechtselbische Teilstück bis Torgau viele landschaftlich reizvolle Ausblicke bereithält. Am Ufer erinnert ein mit der Hand nicht erreichbares Schild an den historischen Hochwasserstand von 2002. Heute haben wir zum Glück nichts zu befürchten, die Elbe gibt sich harmlos. Wir radeln durch das Naturschutzgebiet "Alte Elbe Kathewitz" mit riesigen schattenspendenden Bäumen, grasenden Schafen und traumhaften Auen. Die Landschaft wirkt beinahe parkähnlich gestaltet. Bis zur Ortschaft Graditz genießen wir meditatives Treten auf was man wohl einen perfekten Fahrradweg mit Aussicht nennt. Die noch im Ursprung erhaltene Elblandschaft beheimatet Biber, Fischotter, Laubfrösche und Wechselkröten. Dazu 86 Brutvogelarten. Mit unserer Geschwindigkeit treffen wir allerhöchstens auf Schafe, die hier in langer Tradition die Grünflächen beweiden. In Graditz empfängt uns das Sächsische Hauptgestüt samt barocker Parkanlage. Ein perfektes Pausenplätzchen. Hier kennt man scheinbar die geheimen Sehnsüchte von Elberadlern. Rot wie ein Warnschild steht die kleine “Graditzer Kaffeekutsche”, eine hübsche Piaggio Ape, auf einer Wiese vor dem Gestütsportal. Wir bekommen Affogato und Limonade unter einem Sonnenschirm serviert. Im Hintergrund wiehern Pferde, ein paar Grillen zirpen. Das Leben ist schön. Beinahe fühlen wir uns wie in der Toskana. Nach einem kleinen Abstecher durch den Gestütspark, sind wir auch wieder auf Kurs und nach wenigen Minuten blitzt schon das nächste Etappenziel am Horizont: Torgau.

Hier lebt die Geschichte

Die 20.000 Einwohner-Stadt Torgau gilt als besterhaltene Renaissancestadt Deutschlands und als politisches Zentrum der Reformation. Überall in Torgau lassen sich Spuren von Martin Luther und seiner Frau Katharina von Bora finden, die hier 1552 starb. Die Welt kennt den Namen Torgau, wie wir schon in Strehla erfuhren, vor allem durch die Begegnung der Amerikaner und Russen 1945, die sich in der Hoffnung auf baldigen Frieden für die Kameras der Welt die Hände schüttelten. Mir ist die ehemalige kursächsische Residenzstadt zuletzt auch aufgrund einer sehr bewegenden Dokumentation über den Geschlossenen Jugendwerkhof ein Begriff, die ich kürzlich im Internet entdeckte. In dieser Einrichtung versuchte das DDR-Regime sogenannte schwererziehbare Jugendliche zu Menschen zu erziehen, die sich willenlos in die sozialistische Gesellschaft einfügen lassen. Zurück blieben fürs Leben schwer traumatisierte Menschen. Die meisten Touristengruppen finden sich jedoch an Torgaus Wahrzeichen ein. Schloss Hartenfels gilt als das bedeutendste Schloss der deutschen Frührenaissance und liegt traumhaft schön am Elbufer. Auch wir gleiten mit den Rädern in den großen Schlosshof, dessen Prunkstück der große Wendelstein ist. Die freitragende spiralförmige Treppe aus purem Elbsandstein ist ein perfekter Fotostop und ich versuche mit der Kamera mehrere schönen Blickwinkel einzufangen. Leicht ungläubig reiben wir uns die Augen, als wir das Schloss über den Bärengraben verlassen. Hier leben tatsächlich noch drei Braunbären. Ich muss an Schnute denken, die letzte Berliner Bärin aus dem Bärenzwinger am Märkischen Museum. Zum Glück wird dieses kleine Areal heute nur noch für Veranstaltungen und Ausstellungen genutzt. Vielleicht wäre diese Umnutzung auch etwas für Torgau. Sternenkino im ehemaligen Bärenzwinger vor Schloss Hartenfels - ich stelle es mir schön vor. Wir besorgen uns am Marktplatz eine kleine Stadtkarte und erkunden mit dem Rad die restaurierte und fast vollständig erhaltene historische Altstadt. Neben den fast 500 Baudenkmalen finden wir das älteste Spielwarengeschäft Deutschlands sowie ein riesiges Proviantmagazin. Der 3.000 qm große imposante Bau diente in früheren Zeiten der Versorgung der Heere und wurde zuletzt als Markthalle genutzt. Sicher lässt es sich ab April 2022 wieder mit mehr Leben füllen, wenn Torgau die Sächsische Landesgartenschau ausrichtet. Im Torgauer Stadtpark sind die Vorbereitungen jedenfalls im vollen Gang. Wir fahren einen kleinen Baustellen-Slalom und bestaunen die 10 Meter hohen Kranich-Holzkonstruktionen, die mit Rutschen in einen traumhaften Spielplatz integriert werden. Die Stadt plant definitiv einen richtig großen Auftritt. Vielleicht kommen wir nochmal zurück. Denn auch den Besuch im Geschlossenen Jugendwerkhofs wollen wir unbedingt nachholen.

Gans schön hier

Die 50 km-Tour fühlt sich an diesem Tag endlos an, was sicher auch an der Fülle an Eindrücken liegt und dem späten Aufbrechen in Mühlberg. Trotzdem gönnen wir uns eine letzte Pause am Wasser. Endlich wird auch die Decke ausgerollt, die bei Reinier seit Berlin am Lenker hängt. Uns gegenüber spielt eine Familie am blauen Nass, Kinderlachen und springende Fische durchbrechen die Stille. Es ist noch nicht lange her, 30 Jahre um genau zu sein, als die Elbe als dreckigster Fluss Europas galt. Durch Hüttenindustrie, Bergbau und die Chemieindustrie war sie hier extrem hohen Belastungen ausgesetzt. Zum Glück hat sich seitdem viel getan. Mit den Beinen im sauberen Wasser lassen wir noch ein paar Steine springen, doch der Tag im Sattel neigt sich dem Ende. Wir erreichen die nördlichste Stadt Sachsens, die Tonfabrikstadt Dommitzsch, gegen Abend. Auf dem quadratisch angelegten Markt erkunden wir die Marienkirche, das Rathaus und eine Touristeninformation, die mich in ihrer modernen Umgestaltung eines 200 Jahre alten Wohnhauses absolut begeistert zurücklässt. Das Wahrzeichen der Stadt, der große “Gänsebrunnen”, ein Objekt des regionalen Künstler Bruno Kubas von 1983, erzählt die Geschichte von „Gännsedomsch” und einer Zeit, in der in vielen Haushalten Gänse gehalten wurden. Tagsüber trieb man sie auf den Anger und abends fanden sie alleine ihren Weg in die Ställe zurück. Noch heute wird diese ehemalige Tradition mit einem jährlich im Juni stattfindenden Gänsebrunnenfest liebevoll gepflegt. Dommitzsch hat definitiv Wohlfühl-Potential. Der Verlauf des Elberadwegs durch den Ort ist ein Gewinn, in der Umgebung winken viele Schätze wie ein Waldbad mit Campingplatz und atemberaubende Landschaft. Wir kommen an diesem Tag in der großzügigen Ferienwohnung “Zum Nussbaum” bei der freundlichen Familie Nitzschke unter. Das gemütliche fliederfarbene Schlafzimmer ist ruhig zum Hof gelegen und gibt einen herrlichen Blick auf einen großen Walnussbaum frei, der der Herberge den Namen gab. Schnell gehts unter die Dusche und in frische Klamotten. Wir haben wieder eine Verabredung. Diesmal allerdings kulinarischer Art.

La dolce vita in Sachsen

Das niedliche Gasthaus “Schmidtalien” ist das, was man einen Geheimtipp nennt. Der Sommerabend ist noch herrlich warm und wir finden einen traumhaften Platz auf der Terrasse. Als Vorspeise gönnen wir uns ein kaltes Gurkensüppchen mit Dill und Meerrettich sowie einen leckeren Wildkräutersalat mit Brennnessel, Giersch, Löwenzahn, Oliven und Feta. Bei der Wahl des Hauptganges müssen wir uns kurz die Augen reiben. Donnerwetter! Zitronenreis mit Wakamealgen und Chiasamen? Reinier entscheidet sich sofort für das auf den Namen “Land & Meer” getaufte Gericht. Auf meinem Teller gibt es den “Dommitzscher Forst” - hausgemachte Wildbratwurst vom Heidewild an Kräuterkartoffelstampf und Sauerkraut. Einfach unglaublich gut und noch dazu im eigenen Hause selbstgemacht. Das Dessert setzt unserem Schlemmer-Abend noch ein Sterne-Krönchen auf. Niemals hätten wir in diesem verträumten Winkel des Landes ein derartiges Feuerwerk erwartet. Satt und glücklich sinken wir ins weiche Bett im Fliederzimmer. Wir sprechen zum Spaß den Gedanken aus, die Reise einfach noch etwas zu verlängern, denn wir haben das Gefühl, wir kommen gerade erst in den richtigen Takt. 

Tag 3 Dommitzsch – Lutherstadt Wittenberg

Hallo, Sachsen-Anhalt.

Nach einem grandiosen 5-Sterne-Frühstück in unserer Herberge, packen wir im Fliederzimmer alles zusammen. Ich bekomme zum Abschied von Frau Nitzschke noch eine Führung durch ihren geheimen Garten, den ich niemals hinter ihrem Haus vermutet hätte. Wir fachsimpeln über Löwenmäulchen, Gärtnern im Alter und ihre Kürbiszucht und am liebsten würde ich mich mit einer weiteren Tasse Kaffee mit ihr unter den Obstbaum setzen. Aber wir müssen aufbrechen, da wir um 17 Uhr in Lutherstadt Wittenberg den Zug erwischen wollen. Außerdem hat sich bremsender Nordwestwind angekündigt, ich möchte nicht bummeln. Natürlich dauert es keine 10 Minuten bis wir trotzdem wieder den ersten Stop machen. Das Portal der ehemaligen Deutschen Tonwarenfabrik ist zu schön, um einfach achtlos daran vorbeizufahren. Die Figuren am Eingang tragen zweifellos wieder die Handschrift von Bruno Kubas, dem Gestalter des Gänsebrunnens am Dommitzscher Marktplatz. Kaum vorstellbar, dass hinter diesem verbarrikadierten Eingang einst jede Menge Haushaltsgegenstände wie Töpfe, Schüsseln, Tassen, Krüge und Kaffeekannen aus Ton hergestellt wurden. Bis 1996 liefen die Waren erfolgreich vom Band, dann war Schluss und die Gebäude sind seitdem dem Verfall preisgegeben. Wir schießen ein Erinnerungsfoto und fahren weiter. Nun passieren wir die Grenze zu Sachsen-Anhalt und erreichen kurz darauf den Naturpark „Dübener Heide“. Am idyllischen Waldcampingplatz an den fischreichen Lausiger Teichen, treffen wir jetzt immer häufiger auf Radausflügler, u.a. eine junge Teenagergruppe aus Hamburg. Wir hängen uns sofort in den Windschatten. 

Am langgestreckten Priesitzer See, einem ursprünglichen Hauptstrom der Elbe, sausen wir dahin. Fast schon herrschaftlich fühlen wir uns unter der beeindruckenden alten Baumallee, die zum imposanten Schloss Pretzsch führt. Die zum Schloss gehörende kleine Elbstadt darf stolz auf eine über 1000-jährige Geschichte zurückblicken. Die Angst wieder etwas Sehenswertes zu versäumen motiviert uns, eine schnelle Runde durch die weitläufige barocke Parkanlage und einige Gassen zu drehen. Mit den Jungs aus Hamburg boarden wir anschließend die letzte Gierseilfähre unserer Tour. Mit Hilfe eines im Wasser hängenden Seils, dem Druck der Strömung und der Position des vom Fährmann gesetzten Ruders, gelangen wir in wenigen Augenblicken ans andere Ufer. Während die Hamburger Gruppe bester Stimmung ist, steigt bei uns aufgrund des nahenden Abschieds langsam Wehmut auf. Das die hier am Ufer liegende hochangepriesene Eismanufaktur in Mauken heute geschlossen hat, macht die Laune nicht besser.

Alte Schulhefte auf der Streckbank

Es besteht aber keinerlei Grund für trübe Gedanken, denn unser letzter Abschnitt hat noch einen richtigen Trumpf im Ärmel: das kleine Dorf Klöden im östlichsten Zipfel von Sachsen-Anhalt. Als Pedalritter erobern wir den kleinen Burghügel der Stadt mit Leichtigkeit und rollen aufgeregt auf einen charmanten Burghof mit Biergarten. Die spätmittelalterliche Burg Klöden gehört zu den ältesten Sachsen-Anhalts und hat schon allerhand Umbauten und Besitzerwechsel hinter sich. “Hausherr” Thomas Petzold begrüßt uns am Eingang des Seitenflügels zu einer kleinen Führung. Thomas ist Vorsitzender des Fördervereins, dem die Burg seit 2005 gehört. Er kümmert sich mit viel Engagement um deren Erhaltung, während seine Frau Sylke die kleine Burggaststätte mit Biergarten betreibt. Das freundliche Paar hat sich über die Jahre auf Rad- und Wandertouristen eingestellt und sich mit einer liebevoll geführten Gastronomie, einem nachgebauten Folterkeller und dem einzigartigen Heimatmuseum eine richtige Fangemeinde gemacht. In Internetportalen wird dieser Ort in den Himmel gelobt und als Geheimtipp am Elberadweg beworben, obwohl viele diesen Tipp fast für sich behalten möchten. So schön der morbide Charme der Burg auch ist, die Eintritts-Spenden die Thomas und Sylke hier für Sanierungen sammeln, werden dringend gebraucht. Thomas nimmt uns nach der Burgvorstellung mit ins Heimatmuseum im Obergeschoss. Das original eingerichtete DDR-Klassenzimmer katapultiert mich in die eigene Kindheit. Lederranzen, Fibel, Pioniertuch. Auf meiner Beliebtheitsskala befindet sich Nostalgisches auf den oberen Rängen. Der Auslöser der Kamera wird zum Dauergeräusch. Alle Gegenstände sind hier liebevoll in Szene gesetzt. Auch Persönliches von Thomas hat hier einen Platz gefunden. Wenn es seine Zeit erlaubt, sortiert er die eingereichten Spenden und präsentiert sie thematisch in den charmanten Burgräumen mit Kreuzgewölbe. Bei Besuchern kommt diese individuelle Art des Heimatmuseums gut an. Zum Abschluss gibt uns Thomas im nachgebauten Folterkeller (das Original wurde im 17. Jahrhundert zugeschüttet), noch ein paar schaurige Details der Burgvergangenheit preis. Insgesamt sollen hier auf Burg Klöden rund 30 Hexen in den Burgverliesen eingekerkert gewesen und zum Tode verurteilt worden sein. Ein paar Illustrationen und nachtgebaute Folterwerkzeuge helfen der Phantasie noch ein bisschen auf die Sprünge. Bevor uns aber über die grausamen Details der Appetit vergeht, machen wir es uns lieber noch ein wenig im schönen Burggarten gemütlich und bestellen uns einen Mittagssnack von der kleinen feinen Karte. Die Brote im Rucksack haben wir bereits drei Tage nicht angerührt. Und wir werden beim Blick auf die Karte jetzt nicht noch damit anfangen. Hier gibt es Reibekuchen mit frischen Pfifferlingen und Plinsen mit Apfelmus. Thomas bringt uns noch selbstgemosteten Saft an den Tisch und zeigt dabei auf seine Streuobstwiese. Dort unter den Apfelbäumen mit Blick auf die Elbaue, sollen ab der kommenden Saison auch ein paar Camper stehen dürfen, berichtet er uns zum Abschied. 

Auf der Zielgeraden

Der scharfe Gegenwind drückt weiter auf die Stimmung und langsam auch auf unsere Waden. Dass wir uns langsam der belebten Lutherstadt Wittenberg nähern, ist an unserem Umfeld nicht zu merken. Die Natur rund um den Elberadweg bleibt malerisch und abwechslungsreich, Menschen treffen wir kaum. Nach 2,5 Tagen und 125 gefahrenen Kilometern erreichen wir die bedeutende Reformationsstadt, in der Martin Luther 1517 Weltgeschichte schrieb. Die Schlosskirche, an deren Eingangstür er seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel schlug, soll der letzte Anlaufpunkt unserer Reise sein. Auch wenn die Originaltüre verloren ging, steht die Kirche heute unter dem Schutz der UNESCO, ebenso wie das Lutherhaus, die Stadtkirche und das Melanchthonhaus. Alle befinden sich auf Wittenbergs historischer Altstadt-Meile, die wir uns jetzt mit vielen Einheimischen und Touristen teilen müssen. Bis zur Kirche passieren wir eine Reihe schöner Plätze und Bürgerhäuser, die die Verwüstungen des Zweiten Weltkriegs weitgehend unbeschadet überstanden haben. Wir stellen uns für ein richtig gutes Softeis an, dann geht es die Stufen des 88 Meter hohen Kirchturms der Schlosskirche hinauf. Oben angelangt, breitet sich ein letztes Mal die Elbe unter uns aus, die wir in den letzten Tagen auf so vielfältige Weise kennenlernen durften. Wir lassen uns mit der Fahrt zum Bahnhof etwas mehr Zeit als üblich und können so noch in die faszinierende Welt der Wittenberger Street Art eintauchen. Fast 30 Murals begeistern auf Brachflächen und bunten, teilweise altertümlichen bis baufälligen Fassaden. Alle sind im Rahmen des Kunstprojektes KURA entstanden. Sie beinhalten Politisches, haben Bezug zu Luther, manche sind bloße Fotoabbildungen oder sind einfach der Fantasie entsprungen. Es werden die letzten Fotos unserer wundervollen dreitägigen Sommerreise auf dem Elbabschnitt Riesa - Lutherstadt Wittenberg sein. 

 
 
 
 

FAZIT: Wow, was für ein Sommermärchen. Kopf und Herz waren nach unserem Trip voll wie lange nicht. Selten zuvor haben wir bei einer Radreise, den Atem unserer Heimat so deutlich gespürt. Während vergangene Ausflüge in der Prignitz vor allem von kostbarem Naturraum geprägt waren, lernten wir hier im sächsischen Teil geschichtsträchtige Städte und Dörfer kennen. Sie alle sind durch die Elbe und den Elberadweg unmittelbar miteinander verbunden und machten unsere Reise zu einem lehrreichen Geschichtskurs. Die 50 Tageskilometer hörten sich anfangs für uns relativ entspannt an, wurden aber durch die Fülle an Sehenswürdigkeiten zur Herausforderung. Natürlich hat jeder andere Prioritäten entlang solcher Etappen. Wir aber lieben es neben der Natur auch möglichst viele Ortschaften kennenzulernen, mit Einheimischen zu sprechen und auf den Spuren der Geschichte zu wandeln. Der Abschnitt Riesa - Lutherstadt Wittenberg machte aus genau diesen Vorlieben ein unterhaltsames Stop and Go und war für uns genau richtig. Nur eine Sache war unsererseits falsch geplant: die Verpflegung. Unser gesamter mitgenommener Reiseproviant ist wieder mit nach Berlin gefahren. Wir hätten niemals mit solch einer gastronomischen Vielfalt entlang der Strecke gerechnet. Dankbar waren wir hingegen über die vorab gebuchten Unterkünfte. Wir lieben zwar auch den Hauch von Abenteuer, es war aber fantastisch am Ende des Tages in einer gemütlichen Unterkunft willkommen geheißen zu werden, mit gutem Essen und einer wohltuenden Dusche. Kurzum: So wie es war, war es perfekt. Zum Glück stehen wir erst am Anfang unserer Entdeckungstouren am Elberadweg. Allein zwischen unserem Endpunkt Lutherstadt Wittenberg und dem kürzlich besuchten Wittenberge liegen weitere 230 km unbekannte Elbkilometer. Wir freuen uns drauf, zurückzukehren!


 
 

Dani PensoldComment