Storchengeklapper in Rühstädt
Das dieser Artikel so hübsch bebildert ist, habe ich Steffen Fischer zu verdanken. Alle Bilder in diesem Artikel stammen aus seiner Hand. Seine wunderbaren Rad- und Familienabenteuer findet Ihr hier! Hab vielen Dank, Steffen!
An diesem Wochenende im Juni ist Petrus etwas übellaunig. Eine dichte Wolkendecke hängt über der Flusslandschaft Elbtalaue, unserem Ziel an diesem Sonntag. Ich versuche es positiv zu sehen. Es ist immerhin sommerlich warum und regnet nicht. Meine kleine Radgruppe ist mir ausgesprochen sympathisch. Bereits im Zug Richtung Bad Wilsnack schnattern wir was das Zeug hält und die Chemie stimmt auf Anhieb. Angekommen, halten wir uns am Bahnhof Bad Wilsnack gar nicht lange auf und nehmen direkten Kurs auf das Storchendorf. Viel Zeit zum Bummeln haben wir nicht, da man uns im Rühstädter Storchenclub erwartet. Auch die Prignitzer Tierwelt begrüßt uns recht schnell hinter der Ortsgrenze. Zahlreiche Störche tummeln sich hungrig auf den Feldern neben uns und Reiher, Fuchs und Reh kreuzen kaum wenige Meter vor uns den Radweg.
Deutschlands größtes Storchendorf
Rühstädt liegt am südwestlichen Rand der Prignitz und ist etwas ganz Besonderes. Das hier so viele Störche brüten, liegt an der umfangreichen Speisekarte der Flusslandschaft. Ich liebe die Prignitz. An die kleinen Elbdörfer hatte ich schon vergangenen Juni bei einer 2 Tagestour entlang des Elberadweges mein Herz verloren und auch Rühstädt scheint dem Bilderbuch entsprungen zu sein. Auf fast jedem Dach des kleinen 240 Seelen Dorfes befindet sich bereits ein besetztes Storchennest. Besonders gefallen mir die hübsch bemalten, handgefertigten Informationstafeln. Diese dokumentieren genau, wann die Störche das Nest besetzten, wann Weibchen und wann Männchen kamen und wieviele Junge es gibt. Ach ja, auch der Abflug wird ganz genau festgehalten. Die Genauigkeit des Abflugtages ist erstaunlich und variiert oft nur um 1-2 Tage Ende August.
Storchenclub Rühstädt
Mitten im Dorf, am Wasserturm, befindet sich das "Storchenhaus" - der verabredetet Treffpunkt mit unserem Storchenexperten. Hier kann man sich in einer kleinen Ausstellung mit Tierpräparaten heimischer Wildtiere ansehen und Wissenswertes über die Störche und den Ort erfahren. In der Hauptsaison gibt es auch eine Live-Übertragung aus dem Nest auf der Dorfscheune. Unser Guide des Storchenclubs ist ein offenes Lexikon was Storch- und Dorfgeschichte angeht. Mir scheint, er kennt alle Störche persönlich. Anhand verschiedener Fototafeln erzählt er uns die Erfolgsgeschichte des Dorfes und berichtet stolz vom Engagement der Dorfgemeinschaft, ihren gefiederten Mitbewohnern ein Zuhause zu geben in das sie immer wieder gerne zurückkehren. Nach dem Vortrag geht es direkt rüber zur Scheune, in der es einen Aussichtsbalkon gibt. Hier kann man Tag und Nacht ein paar Nester fast aus "Augenhöhe" beobachten und fotografieren. Sofort richten sich die Kameralinsen auf ein besonders schönes Dach, auf welchem stolze 4 Nester thronen.
Nach einem kleinen Bummel durch die Storchengemeinschaft geht es endlich auf den Deich. Ruhig schlängelt sich die Elbe durch die Flußlandschaft. Wir sind auf der Suche nach einem geeigneten Rastspot, wo wir gemeinsam picknicken wollen. Eine Radkarte auf ist überflüssig - der Deich ist der Weg und menschenleere Naturidylle so weit das Auge reicht. An einem Aussichtsturm breiten wir Decken und Lunchpakete aus und genießen hausgemachte Holunderlimonade, Wraps und Kuchen.
Auch in diesem dünn besiedelten Teil von Brandenburg, warten wieder allerhand Verführungen direkt an der Radstrecke. Dem Pfannkuchenhaus können wir noch widerstehen, aber das hübsche Kreidetafelschild vor einem großen Bauerngarten zieht uns dann doch magisch an. Wir beschließen die Tour hier mit einer gemeinsamen Kanne Kaffee zu beenden. Die netten Damen rücken uns in dieser herrlichen Oase, direkt ein paar Stühle zusammen. Hier schreit es nach hausgemachtem Kuchen mit Schlagsahne und einem schönen, heißen Pott Filterkaffee. Wir zucken die Schultern: "Gut! Fällt das Abendessen heute eben aus! Man bringe mir die Torte!" Eine kitschige Tischdecke mit Waldmotiv gab es dazu. So fühlt sein ein kleines Stück vom Glück an, da sind wir uns alle einig und das die Schublade mit den Geheimtipps gerade Zuwachs bekommen hat. Bis nach Wittenberge sind es nur noch wenige Kilometer. Wir sind etwas im Zeitdruck um noch den Zug zu erwischen und treten kräftig in die Pedale. Leider schenken wir dem Wahrzeichen Wittenberges, der größte freistehenden Turmuhr, aufgrund dieser Zeitnot wenig Beachtung. Wer einmal hier ist, dem sei das ehemaliges Nähmaschinenwerk Singer empfohlen, in dem seit Anfang des 20. Jahrhunderts Nähmaschinen hergestellt wurden. Auf die Abfahrtsminute bekommen wir alle Räder in den fast leeren Zug.
An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal herzlichen bei Steffen Lehmann vom TMB bedanken, der unsere außerplanmäßige Storchenführung möglich gemacht hat.
Nützliche Links:
Storchenclub Rühstädt und Storchenfeierabend Rühstädt